Als US-Präsident Donald Trump bei seinem Besuch in Paris zu Brigitte Macron, 64, sagte, sie habe sich „gut gehalten“, hätte sie ihm dafür durchaus eine Ohrfeige verpassen können. Brigitte Macron hat es nicht getan, sie hatte sich vorbildlich im Griff. Doch mit der Energie, die in diese Kunst des alltäglichen Zorn-Einhegens fließt, könnten Frauen wahrscheinlich Kleinstädte zum Leuchten bringen. Natürlich gibt es auch den großen Zorn. Was, wenn es um schwere Straftaten geht? Vergewaltigung? Mord? Wie umgehen mit der Ohnmacht und der Wut? Den Täter ebenso demütigen? Wäre es eine Wiedergutmachung für das getane Unrecht? Und was ist mit Krieg? Verfolgung? Verbrechen gegen die Menschlichkeit? Wie können wir den ganz großen Ungerechtigkeiten begegnen? – Was können wir tun, um die Schwächsten der Gesellschaft zu stützen? Wie bleiben wir mitfühlend, wenn wir als Menschen doch auch berechnend sein müssen? Wie kann ein Land für seine Bewohner lebenswert sein, das zwar reich an Bodenstoffen ist, aber Minderheiten unterdrückt oder Mädchen und Frauen den Zugang zu Bildung verwehrt?
Es gibt eine Liste von zehn sogenannten Befähigungen, die gewährleistet sein müssten: Sicher vor gewalttätigen Übergriffen zu sein gehört ebenso dazu wie die sexuelle Selbstbestimmung und die Möglichkeit, Bindungen mit Menschen einzugehen, die einem wichtig sind. Oder auch die Möglichkeit zu lachen, zu spielen und die Freizeit zu genießen. All diese Befähigungen gehören zu einem erfüllten Leben.
Wie kommen Mitgefühl, Liebe und Gemeinsinn in den öffentlichen Raum? Auch Wut und Zorn gehören dazu – und der daraus resultierende Wunsch nach Vergeltung. Nur dadurch, so denken wir, könne erlittenes Unrecht wieder geheilt werden. Aber genau diese Gedanken kann man infrage stellen. Das Leiden des Täters kann Geschehenes nicht ungeschehen machen. Daraus kann nicht Gutes erwachsen. Rache und Vergeltung ist „magisches Denken“. Zorn ist von der Rache zu trennen und vom ersteren ist das mobilisierende Moment zu nutzen. Den Zorn, den es braucht, um Veränderungen zu bewirken. Einen Protest – ohne den Wunsch nach Vergeltung. Das ist der „Zorn des Übergangs“. Das Gefühl, das Menschen ergreift, die gegen Ungerechtigkeit kämpfen. – Als Vorbilder gelten politische Führer wie Mahatma Gandhi, Martin Luther King oder Nelson Mandela. Deren Geschick bestand darin, den Zorn ihrer Anhänger vom Wunsch nach der Rache zu trennen. Um dadurch beständige Änderungen zu bewirken – und nicht Bürgerkriege herbeizuführen.
Einige Menschen fallen immer wieder durch rechtskonservatives Geschimpfe auf, auch in den sozialen Netzen. Sie schreiben falsche Informationen hinein und regen sich über alles auf. – Ein Beitrag von Geisteswissenschaftlern dazu ist das „Argumentieren“: Die Stimme der Vernunft. Ein leises, respektvolles, nicht beleidigendes Überzeugen. Auf der Suche nach der Wahrheit.
Das ist es, was vor allem auch junge Menschen lernen sollten. Um sich auf ihre Rolle im Leben, ihre Rolle als Bürger vorzubereiten. – Lernen, wie man Abstand zwischen sich und den Zorn bekommt.
Kerstin Kullmann, im Interview mit #MarthaNussbaum (in Anlehnung an ihr am 13. März 2017 erschienenes Buch*) , (Auszug), „Rache ist magisches Denken“, Die Philosophin Martha Nussbaum untersucht die Rolle der Gefühle in der Gesellschaft, Wie lassen sich Wut und Zorn in positive Veränderungen verwandeln?, #DERSPIEGEL Wissenschaft, 34/2017
*Martha #Nussbaum: „Zorn und Vergebung. Plädoyer für eine Kultur der #Gelassenheit“. Aus dem Englischen von Axel Walter, WBG: Wissen, Bildung, Kultur, 2017, 408 Seiten, € 39,95
4 Antworten zu #Rezensionen: Unsere Gefühle, #Wut und #Zorn in #positive #Gefühle verwandeln