Sogar die amerikanische Zulassungsbehörde (FDA) warnt nicht nur vor Sehnenentzündungen und -rissen, sondern auch vor Gelenk- und Muskelschmerzen, Missempfindungen und Schmerzen auf der Haut, Herzrasen und Herzrhythmusstörungen, schlimmen Durchfall, Schlafstörungen, Verwirrung, Halluzinationen, Depressionen und Selbstmordgedanken – unter anderem. Die Mittel, so die FDA, sollten bei Erkrankungen wie Nasennebenhöhlenentzündungen , Bronchitis oder einer unkomplizierten Harnwegsinfektion deshalb dann nur noch zum Einsatz kommen, wenn wirklich kein anderes Antibiotikum mehr hilft.
Trotzdem wurden 2015 in Deutschland immer noch 33,7 Millionen Tagesdosen Fluorchinolone verordnet. Offenbar unterschätzen die Ärzte die Gefahr. Fluorchinolone werden immer noch viel zu häufig bei banalen Infektionen verschrieben. Warnhinweise müssten dringend so formuliert und verbreitet werden, dass auch beim letzten Arzt „der Groschen“ fällt. Wie viele Betroffene es in Deutschland tatsächlich gibt ist schwer abzuschätzen. Aber es ist davon auszugehen, dass Fluorchinolon-Schadwirkungen ein unterschätztes Problem sind, auch deshalb, weil einige der Nebenwirkungen schon nach einer einzigen Tablette auftreten können oder erst Monate nach der Einnahme. Eine Kohortenstudie hat ergeben, dass das Risiko, an einer Achillessehnenentzündung zu erkranken, nach Einnahme von Fluorchinolonen im Vergleich zu anderen Antibiotika 3,7-fach erhöht ist; Levofloxacin ist dabei wahrscheinlich besonders riskant. Insbesondere ältere Patienten und solche, die zusätzlich Kortikosteroide einnehmen, sind gefährdet. Manche Wissenschaftler halten es sogar für möglich, dass ein Patient von etwa 230, die ein Fluorchinolon verschrieben bekommen, eine Sehnenentzündung erleidet. Demnach müsste es in Deutschland Tausende Betroffene geben.
Warum die Medikamentengruppe der Fluorchinolone so viele verschiedene unerwünschte Wirkungen auslösen kann, weiß niemand genau. Möglicherweise schädigen die Mittel direkt die Mitochondrien, die Kraftwerke der Zelle, oder sie stören den Kontakt zwischen Zelle und ihrer Umgebung. – Alleingelassen mit ihrem Leid fangen die Betroffenen jetzt an, sich selbst zu helfen. Ganz vorn dabei ist Sven Forstmann. Auch ihn schmerzen die Sehnen und etliche weitere Beschwerden machen ihm zu schaffen, seit er vor acht Monaten zwei Tabletten Levofloxacin und eine Tablette Ciprofloxacin nahm. Etwa 1400 Leute, berichtet er, seien in Facebook-Gruppen organisiert oder beim Betroffenenforum registriert.
Veronika Hackenbroch, Zwei Tabletten Schmerz (Auszug), Sehnenriss, Muskelqual, Depression – Eine Gruppe von Antibiotika, die Fluorchinolone, können schreckliches Leid auslösen. Doch viele Ärzte ignorieren die Gefahr, #DERSPIEGEL, 7/2017, Medizin.
Leserbriefe, DER SPIEGEL, Vorher kerngesund, 9/2017
Ich, 38 Jahre, vorher kerngesund, bin nach einmaliger Einnahme von Ciprofloxacin wegen eines unspektakulären Infekts betroffen von Sehnen-, Muskel- und Gelenkschmerzen sowie Unbelastbarkeit des ganzen Bewegungsapparats. Deshalb ist es für mich eine Wohltat einen solchen Artikel zu lesen und ihn allen Ärzten, die sagen, „nein gibt es nicht kommt nicht vom Cipro“, unter die Nase halten zu können. Die Unwissenheit und die meist nur einfache arrogante Ignoranz oder Unbelehrbarkeit der Götter in Weiß sind fast noch schlimmer zu ertragen als die Schmerzen des vorher einwandfrei funktionierenden Körpers! – Stefan Z. Schwabach (Bayern)
30 Antworten zu #Schmerzen als #Nebenwirkung durch die Einnahme von #Antibiotika