Frau Elke Neumann fühlte sich mutterseelenallein. Der Umgang mit psychischen Erkrankungen überforderte ihren Gynäkologen und ihren Psychiater. Nicht wenige Ärzte sind unsicher und schlecht informiert und empfehlen den Schwangeren, die Medikamente abzusetzen – ein gefährlicher Rat. Was wenig bekannt ist: Ein plötzliches Absetzen der Arznei kann nicht nur die werdende Mutter in Gefahr bringen, sondern auch das Baby. Es gibt Berichte, denen zufolge eine nichtbehandelte Depression bei Schwangeren zu erhöhten Frühgeburtsraten sowie zu Wachstumsstörungen und Entwicklungsverzögerungen beim Säugling führen kann. Schon das Wissen, keine Medikamente mehr zu nehmen, kann einen negativen psychologischen Effekt haben – und das in einer Lebensphase, in der sich viele Frauen ohnehin verletzlich fühlen.
Auch bei Ärzten wirkt die tragische Geschichte (Auswirkungen des Contergan-Skandals in den Sechzigerjahren ) nach. Zudem ist kein Antidepressivum in Deutschland für Schwangere zugelassen. Die Hersteller wollen eine Haftung ausschließen. Aus ethischen Gründen können auch keine Studien an Schwangeren durchgeführt werden, die Pharmakonzerne testen die Präparate nur an Tierversuchen. – So betreibt die Berliner Charite die Website Embryotox, auf der die Verträglichkeit von Medikamenten in der Schwangerschaft ausführlich beschrieben wird. Zudem gibt es eine offizielle Leitlinie zur Behandlung von Depressionen, die erst im vergangenen Jahr aktualisiert wurde. Generell ist bei der Gabe von Psychopharmaka eine sorgfältige Schwangerschaftsüberwachung durch den Frauenarzt unerlässlich.
Frau Elke Neumann (Name geändert ) jedoch konnte jahrelang keinen Arzt finden, der sich mit dem Thema auskannte. Auf der Suche nach Hilfe landete sie in einer Notfallambulanz, die ihr eine Liste mit Telefonnummern von Spezialisten gab, die über Monate ausgebucht waren. Sie besuchte eine Therapeutin, die immer nur zuhörte und selten etwas sagte. Und einen Psychiater, der versuchte, eine Angststörung zu behandeln, obwohl sie keine Angst hatte. „Das war alles so zermürbend“, sagt Elke Neumann, von deren Leidensgeschichte nur wenige wissen.
Mittlerweile ist sie 44 Jahre alt und Mutter dreier Kinder. Die Unterstützung, die Elke Neumann brauchte fand sie am Ende über den Verein „Schatten & Licht“ mit seinem bundesweiten Netz an Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen. So kam Elke Neumann an die Kontaktadressen von Spezialisten in ihrer Umgebung. Endlich saß die Frau einer Psychotherapeutin gegenüber, bei der sie das Gefühl hatte, „ich bin in guten Händen“. Schließlich bekam sie ein Antidepressivum verordnet – und einen genauen Medikamentenplan.
Auch ihre beiden jüngeren Töchter sind gesund zur Welt gekommen, obwohl sie während der Schwangerschaft weiter ihre Medikamente einnahm. Eines der Mädchen war nach der Geburt sehr unruhig. Die Kinderärzte vermuteten, dass es Entzugserscheinungen hatte. Nach wenigen Tagen war davon aber nichts mehr zu spüren. – Die Depressionen ist Elke Neumann nie wieder ganz losgeworden. Es gibt Zeiten, in denen sie sich gesund fühlt, aber sie erlebt auch immer wieder Rückfälle. „Ich habe mittlerweile gelernt, damit umzugehen“. sagt sie. Eine Verhaltenstherapie, aber auch Yoga helfen ihr.
Katrin Elger, Mutterseelenallein (Auszug, bitte ganzen Artikel lesen!), Medizin, Psychisch kranke Frauen brauchen in der Schwangerschaft gute Betreuung. Doch viele Ärzte sind überfordert und lehnen Medikamente ab – ein gefährlicher Rat, Wissenschaft, DER SPIEGEL, 36/2016.
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