–Das Werk Haben oder Sein ist schon etwas älter. Dennoch hat es uns auch heute viel zu sagen. Die Kunst des Liebens (1956) und Haben oder Sein (1976) sind Erich Fromms bekanntesten Bücher. Wie viele seiner anderen Werke untersuchen diese genannten zwei die Frage wie wir zu uns selbst finden können und wie wir glücklich werden. Im Jahre 1900 in Frankfurt/Main geboren musste Fromm 1934 seine Heimatstadt verlassen . Er starb 1980 in Locarno in der Schweiz. Seine Lebensaufgabe fand er im Studium der menschlichen Seele.
–Die industrielle Revolution, die großen Erfolge in Naturwissenschaft und Technik ließen uns auf ein Leben in materieller Hülle und Fülle hoffen. Fortschrittliche Diagnoseverfahren, chemische Medikamente und ausgeklügelte Chirurgie weckten Erwartungen auf langes Leben bei guter Gesundheit. Wir sind durch den Fortschritt in der Wissenschaft schlauer aber nicht allwissend geworden. Zu hohe Zukunftserwartungen haben sich nicht erfüllt. Es gereichte nicht zum Segen für die Menschheit. Unsere Illusionen zerplatzten. Die erhoffte uneingeschränkte persönliche Freiheit konnte nicht erlangt werden.
–Über Fromms Haben:
Gegenwärtig leben wir (Kommunismus/Kapitalismus) in einer Welt des Haben-Wollens, des Habens. Von solcher Mainstream-Auffassung werden wir mitgerissen. Wir wollen nicht als Außenseiter gelten. Also richten wir uns nach dem, was allgemein als Norm gilt. Man will Besitz erlangen und diesen möglichst vergrößern. Dazu gehören Statussymbole wie Auto, Haus, Garten, Luxusgüter. An diesen Objekten messe ich meinen Eigenwert und werde ich von anderen gemessen. Auch Menschen lasse ich zu meinem Besitz zählen. Leider nicht um diese zu fördern und zu schützen. – Durch die Lebensform des Habens sind wir in einen ziemlichen Schlamassel geraten. So verwechseln wir Besitzen-Wollen mit Lieben, häufen Privateigentum an, gelangen zu Profit durch Ausbeutung u.s.w. Das alles mit oder ohne Gewissensbisse. Werbung und Marketing bestimmen unsere Entscheidung, kaum noch spontanes Handeln wird möglich. Wirtschaft und Konsum überschatten alles. Wir fallen auf Tricks in Werbung und Reklame herein. Und werden uns dessen noch nicht einmal bewusst.
–Über Fromms Sein:
Wie sollen wir unsere Zukunft anders gestalten? Können wir unseren Lebensraum noch schützen? Ein Umdenken des Einzelnen und der Gemeinschaft muss gefunden werden. Das Sein-Denken lehnt Eigentum und Besitz nicht grundsätzlich ab. Viele Übel der momentanen kapitalistischen und kommunistischen Gesellschaft ließen sich durch die Garantie eines jährlichen Mindesteinkommens beseitigen. Kein Mensch soll mehr hungern oder obdachlos sein. Der Kampf zwishen den Geschlechtern muss beendet werden. Eine neue Gesellschaft und der neue Mensch können nur verwirklicht werden, wenn Profit und Macht durch Sein, Teilen und gegenseitiges Verstehen ersetzt werden. Pure Geschäftigkeit und Betriebsamkeit sollen der Entfaltung innerer Aktivitäten des Einzelnen Platz machen, die Anlagen des Einzelnen gefördert und Neues geschaffen werden. Die Produktion der Arbeitenden habe der Erfüllung der wahren Bedürfnisse des Menschen und nicht den Erfordernissen der Wirtschaft zu dienen. – Eine Entfremdung von uns selbst, den Mitmenschen und der Natur muss ein Ende haben. Die Kluft zwischen arm und reich soll beendet werden.
–Fromms Gedankenwelt und Forderungen sind nicht neu. Als Vorreiter seiner Denkweise möchte ich u.a. Lao-tse, Meister Eckhart, Sigmund Freud, Karl Marx und Albert Schweitzer besonders hervorheben. Am Ende von Haben oder Sein ab Seite 253 im Buch findet Ihr eine Zusammenstellung der umfangreichen von Fromm herangezogenen Literatur zu diesem Thema. In diesem vorliegenden im Jahre 1976 zum ersten Mal veröffentlichen Werk werden auch frühere Gedankengänge Fromms aufgegriffen, vertieft und gegebenenfalls weiter erläutert.
–Eine im Jahre 1985 gegründete Internationale Erich-Fromm-Gesellschaft möchte „eine lebendige Auseinandersetzung mit Fromms Gedankengut fördern. Sie dient der Erhaltung, Erforschung, Weiterentwicklung und Vermittlung der wissenschaftlichen Erkenntnisse und Ideen von Erich Fromm.“ Die Gesellschaft vergibt den jährlichen Erich-Fromm-Preis. Die Preisträger der vergangenen Jahre waren u. a. Konstantin Wecker mit Eugen Drewermann gemeinsam, Gerhard Baum, Anne-Sophie Mutter, Georg Schramm.
–Erich Fromm, Haben oder Sein, Die seelischen Grundlagen einer neuen Gesellschaft, To Have or to Be?, 1976, dt., dtv-Verlag, München 40. Auflage, 2013.
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